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Kultur, Luxus, Sport… Aber was hat das alles miteinander zu tun?

Es wird oft und zunehmend über Kulturmarketing gesprochen. Vor allem auch auf dieser Seite. Aber was genau ist eigentlich «Kulturmarketing»? Was ist das Besondere am Marketing für Kunst und Kultur? Um diese Besonderheiten zu verstehen, schlagen wir Ihnen einen kleinen, aber sehr aufschlussreichen Umweg über Luxus und… Sport vor. 

Kulturelle Inhalte, ein Konsumgut wie kein anderes…

Die Beziehung, die kulturelle Inhalte mit dem Publikum eingehen, unterscheidet sich deutlich von der Beziehung, die ein gewöhnliches Konsumgut mit seinen Verbrauchern eingeht. Der kulturelle Inhalt ist immateriell (man geht nicht mit dem Gemälde unter dem Arm nach Hause), wenig funktional, dafür einzigartig, mit hohem symbolischem Wert und oft zeitlich variabel (die zeitliche Variabilität eines Museums ist jedoch ganz anders als die eines Theaters). Seine Verfügbarkeit eines Kulturguts hängt also von der Art des Werks und der Entscheidung der Kulturinstitution ab, es zu verbreiten. Im Gegensatz dazu ist ein Gebrauchsgut meistens so lange verfügbar, wie eine Nachfrage besteht.  

Im Gegensatz zu Konsumgütern gibt es in der Regel keine Treue zum Werk als solchem, sondern vielmehr zu einem Schöpfer, einer Interpretin oder potenziell (im Idealfall!) zu einem Kulturort. Daher besteht für kulturelle Institutionen die Notwendigkeit, neue kulturelle Angebote zu vervielfältigen. Paradoxerweise tendiert ein Teil des Kultursektors dazu, das Publikum als Verbraucher auf einem Markt zu betrachten, dessen Erwartungen und Bedürfnisse durch häufige Erneuerungen der künstlerischen Angebote befriedigt werden müssen [1].

… aber nicht frei von der Problematik von Angebot und Nachfrage 

Die Vervielfältigung dieser kulturellen «Produkte» wird durch das Aufkommen der Digitaltechnik und neuer Kommunikationskanäle noch verschärft. Dies schafft eine Situation, die in mancher Hinsicht einer Marktsituation nahekommt. Denn das exponentiell steigende Angebot verstärkt die Konkurrenzsituation zwischen den Produkten und verkürzt ihre Programmzeit, was zu einem Anstieg des Angebots und einem Rückgang der Nachfrage führt. So neigen Kulturinstitutionen dazu, Risiken durch Portfoliostrategien zu begrenzen, bei denen erfolgreiche Angebote riskantere Angebote finanzieren.

«Publikum» und «Konsumenten»: zwei grundlegend verschiedene Realitäten 

Dennoch bleibt es dabei, dass meist nur der Wille der Künstlerinnen und Künstler die Schaffung eines Werkes leitet. Die Bedürfnisse und Erwartungen des Publikums werden bei der künstlerischen Gestaltung nicht berücksichtigt. Dies im Gegensatz zu Konsumgütern, die genau nach den Erwartungen und Bedürfnissen der Verbraucher gestaltet werden.   

Unerwartete Ähnlichkeiten 

Kulturgüter sind jedoch nicht der einzige Sektor, der sich von einem Grundprinzip des Marketings befreit: der Anpassung des Angebots an die Nachfrage. Auch Luxusprodukte oder besser gesagt der gehobene Luxus und der Sport werden nicht nach den Bedürfnissen und Erwartungen von Verbrauchenden definiert. In der Forschung wurden diese Ähnlichkeiten untersucht. Die Ergebnisse offenbaren die Besonderheiten des Kulturmarketings, wobei die Ähnlichkeiten besonders im Vergleich mit dem Sportmarketing auffällig sind. 

Luxus und Exklusivität 

Wie ein Luxusprodukt ist auch ein Kulturgut das Produkt eines Schöpfers oder einer Schöpferin und wird nicht nach den Erwartungen der Verbraucher gestaltet. Käufer suchen also nach der Inspiration oder der Kreativität des Künstlers selbst. Das Luxusprodukt bezieht seinen Wert aus der damit verbundenen Symbolik. Diese hängt wiederum von dem mit ihm verbundenen Image der Exklusivität und Qualität, dem Preis und dem Ruf der Marke ab. Der Wert eines Luxusprodukts und der Nutzen, den ein Verbraucher daraus zieht, weist somit gewisse Ähnlichkeiten mit dem Besuch von Kulturstätten auf, der von vielen noch immer mit Exklusivität gleichgesetzt wird. Man denke nur an den Opernbesuch. Mit der Demokratisierung der Orte und der Kunst wird versucht dem entgegenzuwirken.

Sport der ignorierte Verwandte der Kultur 

Sport hingegen wird als öffentliches Gut wahrgenommen [2]. Sport zu treiben oder eine Sportveranstaltung anzuschauen hat den Charakter einer Selbstverständlichkeit: Jeder ist der Ansicht, dass er das Recht hat, sich sportlich zu betätigen. Der Sport soll also alle ansprechen und niemanden ausschliessen. Hier zeigen sich die Ähnlichkeiten mit dem Kulturgut sehr deutlich. 

Sport und Kultur: eine stark schwankende Nachfrage 

Sport ist ein öffentliches Gut, das in den meisten Fällen nicht im strengen Sinne lebensnotwendig ist. «Sport entspricht (für die meisten Menschen) nur einem tertiären Bedürfnis […], das nicht zu den existenziellen Grundbedürfnissen gehört» [3]. Er ist somit essenziell, aber nicht existenziell. Dies gilt auch für kulturelle Inhalte, bei denen die Entscheidung, ob sie konsumiert werden, von externen Faktoren abhängen kann. Beispielsweise kann das Wetter die Entscheidung, ein Museum zu besuchen, beeinflussen [4]. 

Sport und Kultur konkurrieren mit anderen vorrangigen Beschäftigungen oder Verpflichtungen und müssen sich daher oft ihren Platz im Alltag erobern. In Studien zum Kulturpublikum wird Zeitmangel sehr häufig als Haupthindernis für Kulturbesuche genannt… 

Tiefere Motivationen, die schwieriger zu erfassen sind 

Eine weitere interessante Tatsache ist, dass die Motive für den Sport- oder Kulturbesuch vielfältig sind, da sie mit dem Kontext der Besuche und der Persönlichkeit zusammenhängen [5]. Dies macht die Segmentierung des Sport- oder Kulturpublikums etwas komplexer. 

Bei den Motiven ist die soziale Dimension von grosser Bedeutung. Sport, ob als Ausübende oder Zuschauer erlebt, findet in der Regel in einer Gruppe oder einem (halb-)öffentlichen Raum statt. Sport bewegt Millionen von Menschen gleichzeitig. Die soziale Dimension steht auch bei Kulturbesuchen im Mittelpunkt – wie unsere Studien für das Bundesamt für Kultur und das Generalsekretariat der KBK deutlich gemacht haben     

Enttäuschung als konstitutive Eventualität des Sports 

Ein weiteres Merkmal des Sportprodukts ist die Unmöglichkeit, die Qualität oder das Ergebnis einer sportlichen Leistung zu garantieren. Der Kauf einer Eintrittskarte für ein Sportangebot (um ein Spiel zu sehen oder eine Partie Tennis zu spielen) ist keine vertragliche Garantie für einen bestimmten Inhalt (wird das Spiel interessant sein?) oder ein Ergebnis (wer wird gewinnen?). Das Sportprodukt kann enttäuschen. Genau wie ein Kulturprodukt.  

Das Kulturmarketing hat also grundlegende Besonderheiten, die es zu verstehen gilt, wenn man sich mit dem Kulturpublikum beschäftigt. Es gibt viele Autoren, die zu diesem Thema geschrieben haben: die Untersuchung des Kunst- und Kulturpublikums ist legitim und nützlich. Aber sie muss mit Bedacht und unter Beherrschung dieser Besonderheiten erfolgen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die richtigen Analyseinstrumente für das Kulturmarketing auszuwählen. Welche Instrumente sind dazu zweckmässig? Wir bereiten gerade einen Artikel zu diesem Thema vor. Bis bald! 

Stéphane Congouleris

© L’Oeil du Public
[1] F. Colbert et al., Le marketing des arts et de la culture, 4ème éd., 2014, Chenelière éducation. [2] M. Schubert, Sportmarketing, 2016, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. [3] Schubert, 2016, op. cit. [4] Ein sehr interessanter – und ziemlich unerwarteter – Artikel geht ausführlich auf den Zusammenhang zwischen Museumsbesuchen und regnerischem Wetter ein und relativiert diesen Zusammenhang: https://economiststalkart.org/2017/05/02/for-museums-with-rain-come-crowds/ [5] Siehe unseren Artikel: https://loeildupublic.com/de/kennen-sie-die-7-besucherprofile-nach-falk/
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