47% der 15- bis 24-Jährigen nutzen TikTok und 82% Instagram mindestens gelegentlich [1]. Museen stehen vor einer echten Herausforderung: Sie müssen mit dieser Generation Z in Kontakt treten und ihr Interesse für das Museumsangebot wecken. Wie können Museen diese Generation für sich gewinnen? Dies diskutierten wir mit Andrea Weidemann, Direktorin des Schweizer Finanzmuseums und Valentin Schmite, Co-Gründer von Ask Mona.
Die Soziologin Angelika Schroder bringt es in ihrem Blog musermeku auf den Punkt: : «Während ein „klassisches“, oft älteres Kulturpublikum meist noch gut über einschlägige Kanäle wie Newsletter, Veranstaltungskalender oder die lokale Presse angesprochen werden kann, sind andere, eher jüngere Zielgruppen, manchmal nicht ganz so leicht von Museumsinhalten zu begeistern.» [2]. Museen müssen tatsächlich ihre Ansprache des jungen Publikums hinterfragen und ihre Kommunikation in Einklang mit dem heutigen Medienkonsumverhalten bringen. Nur so schaffen sie es, die junge Zielgruppe zu erreichen und für das Museumsangebot zu begeistern. Dabei geht es um das Museumserlebnis an und für sich, sowie auch um die Ansprache, die vor dem Museumsbesuch geschieht.
Das Prestige und die Qualität des Museums reichen nicht mehr
Der Bekanntheitsgrad eines Museums und der Ruf seiner Ausstellungen sind oft Garanten für ein zahlreiches Publikum. Jedoch bleibt der Besuch der Gen Z oft aus. Viel mehr als die älteren Generationen verbringen die Jugendlichen ihre Zeit digital. Valentin Schmite, Co-Gründer von Ask Mona – ein Startup das digitale Technologien in den Dienst von Museen bringt – erklärt, dass in einer Welt, in der junge Menschen ständig von digitalen Medien umgeben sind, Museen einem Wettbewerb ausgesetzt sind, der über den Kreis anderer kultureller Einrichtungen hinausgeht. Die Konkurrenz erstreckt sich mittlerweile auch auf Plattformen wie Netflix und TikTok:
Die Vielzahl an Angeboten bringen nicht alleinig eine Herausforderungen für Museen, sondern auch für Jugendliche. «Sie sind umgeben von unzähligen Angeboten und müssen sich entscheiden, ob sie eine Serie auf Netflix sehen, Zeit auf TikTok verbringen, ein neues Geschäft besuchen , eine immersive Ausstellung besichtigen oder die Sammlungen eines traditionellen Museums erkunden wollen. Ihre Wahl wird von der Entität geleitet, die ihre Erwartungen am besten erfüllen weiss».
Und die Erwartungen der Gen Z zu erfüllen ist in der heutigen Zeit nicht von Einfachheit geprägt. Es bedarf Museen unvergessliche Erlebnisse zu schaffen – memorable experiences, um es mit den Worten des Museumspublikumsforschers Andrew Pekarik zu sagen –, die über traditionelle Angebote hinausgehen. Denn um die Aufmerksamkeit der jungen Generation zu gewinnen, müssen Museen innovative und kreative Ansätze verfolgen.
«In einer Welt, in der Aufmerksamkeit zu einer wertvollen Ressource geworden ist, kämpfen verschiedene Akteure darum, sie zu erobern. Leider reichen das Prestige und die wissenschaftliche Qualität eines Museums in der Aufmerksamkeitsökonomie nicht mehr aus. Museen, die sich bewusst sind, dass die Konkurrenz über den traditionellen Rahmen hinausgeht, haben die Möglichkeit, durch einnehmende Erlebnisse zu konkurrieren.»
Ask Mona beispielsweise nutzt die Kraft der künstlichen Intelligenz, um interaktive und personalisierte Angebote zu entwickeln, die speziell auf die Interessen und Vorlieben der jungen Generation zugeschnitten sind.
Valentin Schmite, Co-Gründer von Ask Mona
«Unser Ziel ist es, Kunst und Kultur für die jüngere Generation zugänglicher zu machen. Wir möchten, dass sie entdecken, dass Museen nicht nur Orte der Vergangenheit sind, sondern lebendige Räume der Inspiration und des Austauschs.»
Die Besuchenden als Ausgangspunkt und Zielpunkt
Bei der Entwicklung ihrer Lösungen geht Ask Mona von der Beobachtung der digitalen Nutzung aus und lässt sich von ihr inspirieren. Das Ziel dabei? Erfahrungen zu vermitteln, die den Besuchenden bleiben. Zum Beispiel hat das Pariser Start-Up Magneten für historische Persönlichkeit und Kunstwerke erstellt. Durch das Scannen der Magneten haben Besuchende die Möglichkeit mit den historischen Personen oder Werken zu interagieren. Dabei entstehen Erlebnisse, die auf Interaktion basieren, wie eine Unterhaltung mit Van Gogh oder Molière. Solche Erlebnisse stossen auf positive Resonanz, denn das junge Publikum ist begeistert dabei: «In weniger als acht Monaten haben wir Zehntausende von Magneten erstellt und überall auf der Welt verteilt».
Auf die Frage: Wie können Museen ihrem jungen Publikum solche Erlebnisse bieten, gibt es jedoch keine einheitliche Antwort:
„Es ist vielmehr eine Frage der globalen Mentalität. Aus dieser Perspektive kann ein Museum zum Beispiel ein romantischer Treffpunkt, ein Partyraum oder eine Oase der Meditation werden. Digitale Medien sind nur eine von vielen Lösungen, um ein junges Publikum zu fesseln und gleichzeitig auf seine Bedürfnisse einzugehen», erklärt Schmite.
Digitalität ist also nicht unabdingbar, um einzigartige Erlebnisse zu schaffen. Es ist aber stets bedeutend, die Besuchenden und ihre Bedürfnisse zu verstehen und ihnen eine qualitativ hochwertige und relevante Erfahrung zu bieten. Die Besuchenden sollten also als Ausgangspunkt und Zielpunkt der Überlegung stehen. Dieser Prozess, der die Besuchenden in den Mittelpunkt der Reflexion stellt, gilt sowohl für das Museumserlebniss, als auch für die Kommunikationsstrategie.
Was ist der Schlüssel zur erfolgreichen Ansprache von Jugendlichen?
Junge Menschen haben grundsätzlich eine Hemmschwelle ins Museum zu gehen „Für uns als Finanzmuseum ist diese jedoch sicher nochmals höher. Das Thema „Finanzen“ wird auf den ersten Blick oft als staubig und trocken betrachtet, und gerade auch das junge Publikum kann sich nicht vorstellen, dass ein Museumsbesuch zu diesem Thema spannend und lehrreich sein kann“ sagt Andrea Weidemann, Direktorin des Schweizer Finanzmuseums. Museen sind gefragt, kreative Lösungen zu entwickeln, um die junge Generation, die viel Zeit online verbringt, auch physisch in ihre Räume zu locken. Um Jugendliche für Museen zu begeistern, ist aber eine zielgruppenspezifische Ansprache bedeutend. Dies erfordert ein tiefgehendes Verständnis der eigenen Zielgruppe und deren Customer Journeys.
Andrea Weidemann, Direktorin, Schweizer Finanzmuseum
«Wir denken, dass es wichtig ist, die jungen Menschen altersgerecht abzuholen: in dem man sie in ihrer eigenen Sprache anspricht, mit Themen, die sie interessieren und ihnen so das Museum und die Museumsinhalte näher bringt.»
Die Lösung des Finanzmuseums, um die Jugend anzusprechen? Ihre kulturellen Inhalte über TikTok auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. Dabei gehen sie mit den Trendthemen der Plattform und passen sich deren Humor an. Das Museum fördert auf diese Weise einen ganz neuen Zugang zu Themen rund um Finanzen und Wirtschaft.
Ja, selbst Finanzen und Wirtschaft kann die Jungen begeistern.
Die Lösung des Finanzmuseums, um die Jugend anzusprechen? Ihre kulturellen Inhalte über TikTok auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. Dabei gehen sie mit den Trendthemen der Plattform und passen sich dessen Humor an. Das Museum fördert auf diese Weise einen ganz neuen Zugang zu Themen rund um Finanzen und Wirtschaft.Ja, selbst Finanzen und Wirtschaft kann die Jungen begeistern.
Jugendliche klären über relevante Themen wie Black-Friday und Auslandszahlungen auf.
(Screenshots aus dem TikTok-Kanal des Schweizer Finanzmuseums)
«Um möglichst altersgerechte Inhalte zu erstellen, wird der Kanal nach dem Motto ‹von Jugendlichen für Jugendliche› eigenverantwortlich von unseren Lernenden betreut», erklärt Weidemann. Diese Herangehensweise führte zu einem beeindruckenden Anstieg der Besuchszahlen bei den 13- bis 18-Jährigen um 134% im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr. Als Anerkennung für den Erfolg des Kanals und die innovative Herangehensweise erhielt das Finanzmuseum im September 2023 den «Silver Award» in der Kategorie «Marketing to Youth» bei den European Digital Communication Awards.
Schafft es ein Finanzmuseum, die Jugend für Themen wie Wirtschaft und Finanzen zu begeistern, dann schafft es sicherlich auch Ihr Museum! «Ein Ansatz kann der von uns gewählte sein, dass man eine Kommunikation ‹von Jugendlichen für Jugendliche› wählt. Alternativ hilft es sicherlich schon mit Fokusgruppen oder jungen Mitarbeitern die Inhalte zu spiegeln und zu hinterfragen, ob diese wirklich passend und interessant für die Zielgruppe sind»- ratet Weidemann. Wir erlauben uns zu ergänzen: …, ob die Inhalte auch zur Identität und den Zielen der Einrichtung passen.