Sponsoring & Fundraising könnten in Zukunft eine immer wichtigere Rolle bei der Finanzierung von Kultur spielen. Warum? Um sich Klarheit zu verschaffen, hat L’Oeil du Public mit drei Expert:innen gesprochen: Prof. Dr. Leticia Labaronne, Leiterin des Zentrum für Kulturmanagement der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Projektleiterin der Studie Sponsor Vision Schweiz; Christine Bachmann, Chefredaktorin bei Miss Moneypenny und Autorin eines Kompetenzmodells für Fundraiser:innen, sowie Rafaël Binggeli, Leiter der Schweizer Agentur Sponsorize und Dozent für Sponsoring an verschiedenen Hochschulen in der Schweiz.
Drittmittel in der Kultur? Ein komplexes Thema, das spannender ist, als man auf den ersten Blick vermuten könnte.
Fundraising ≠ Sponsoring
Definieren wir zunächst die Begriffe.
Leticia Labaronne erklärt: «Der grösste Unterschied zwischen Fundraising (oder Mäzenatentum) und Kultursponsoring besteht darin, dass Fundraising sich auf Spenden und finanzielle Unterstützung ohne Verpflichtungen oder Gegenleistungen bezieht.» Kultursponsoring bezeichne eher einen Austausch, indem die kulturelle Einrichtung eine Gegenleistung für die erhaltene finanzielle Unterstützung anbiete, beispielsweise wird der Sponsor auf der Website oder bei Events genannt. Auch größere Gegenleistungen sind möglich. Wohingegen Fundraising darin bestehe, (finanzielle) Zuwendungen von Einzelpersonen oder Stiftungen zu erhalten, ohne dass eine marktadequate Gegenleistung erbracht werden müsse, gebe es beim Kultursponsoring in der Regel einen Vertrag über Werbe- oder andere Leistungen, die das Kulturprojekt für den Sponsor erbringe. «Dadurch entstehen auch Kosten für die Kulturorganisation, zum Beispiel für die Umsetzung von Sponsoring-Events. Hier gibt es ein häufiges Missverständnis: Fundraising verursacht in der Regel keine Investitionskosten, während Kultursponsoring schon allein aufgrund der Gegenleistungen im Sponsoringvertrag Kosten verursacht.»
Fundraising & Werte
Christine Bachmann schliesst sich dem an: «Fundraising und Kultursponsoring sind grundsätzlich verschieden. Fundraising basiert auf dem Prinzip des Mäzenatentums, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten, während beim Sponsoring genau solche Gegenleistungen üblich sind.» Gemäss Christine Bachmann, bestehe zudem beim Fundraising eine engere Verbindung zwischen den von der Kulturorganisation vertretenen Werten und Themen auf der einen Seite und den Unterstützern sowie Fundraisingpartnern auf der anderen Seite. Kulturorganisationen würden deshalb gezielt Unterstützer sowie Fundraisingpartner suchen, deren Anliegen und Ziele zu den eigenen passen.
Das Sponsoring unter Druck
Entwicklung des Kultursponsorings
Die Studie Sponsor Visions Schweiz[1],die von der ZHAW School of Management and Law durchgeführt wurde, zeigt, dass in den letzten 10 bis 15 Jahren das Interesse an Kultursponsoring zugenommen hat. «Kultursponsoring verzeichnet den grössten Zuwachs in den letzten zehn Jahren: Der Anteil Unternehmen, die diesen Bereich sponsern, ist von 48 auf 59 Prozent gestiegen.» Ausserdem geben die Unternehmen an, dass sie mit ihrem Sponsorship in jeder Hinsicht zufrieden sind.
Die Studie der ZHAW School of Management and Law zeigt weiters, dass sich das Sponsoring, welches sich in der Vergangenheit vor allem auf etablierte hochkulturelle Kunstformen wie Oper, Theater oder klassische Konzerte konzentrierte, deutlich diversifiziert hat und inzwischen beispielsweise auch in den Bereichen Rock-/ Pop-/ Jazz- Festivals angewandt wird. Da diese Veranstaltungen an ein breiteres Publikum gerichtet sind, können mehr Sponsoren ihre Zielgruppen auf qualitativ hochwertigere Weise erreichen.
Sponsoring in turbulenter Phase?
Mehrere Studien belegen, dass die Investitionen von Unternehmen in Sponsoring in den letzten Jahren gestiegen sind. Nebst der bereits erwähnten Schweizer Studie kann man die Studie «Sponsorship Market Overview» heranziehen, die von der European Sponsoring Association in Zusammenarbeit mit dem Datenanalyse-Konzern Nielsen durchgeführt wurde – und die diesen Aufwärtstrend belegt: Nachdem die positive Dynamik durch die Pandemie unterbrochen wurde, erholen sich die Sponsoringinvestitionen in Europa seitdem wieder und werden 2023 mit 30.9 Milliarden Euro sogar das Niveau von 2019 übertreffen (vs. 30.7 im Jahr 2019 und 29.1 im Jahr 2022). Auch wenn der grösste Teil dieser Budgets in den Sport fliesst (22 Milliarden), setzt sich der Trend auch in anderen Bereichen wie z.B. Kultur, fort (8.4 Milliarden im Jahr 2022 vs. 8.9 Milliarden im Jahr 2023).
Trotz dieser positiv stimmenden Berichte liessen sich in letzter Zeit offenbar einige negative Signale betreffend der Drittgelder-Beschaffung identifizieren, wie Philippe Bischof, Direktor von Pro Helvetia, in einem LinkedIn-Post im Juli letzten Jahres anmerkte: «(…) Leider ist es ist (…) offensichtlich eine für viele Kulturinstitutionen schmerzliche Tendenz, dass es zunehmend schwierig wird, Drittmittel bei Privaten zu finden. (…) Sollte sich diese Tendenz bestätigen, so wäre es sinnvoll und wichtig, dass die städtische, kantonale und nationale Kulturförderung gemeinsam analysiert und Abhilfe schafft. Denn wenn es sich bestätigt, dass die Drittmittelsuche nicht mehr in den bisherigen Dimensionen möglich ist, brauchen wir eine Aktualisierung unserer Erwartungen an Finanzplanung und Förderanteile.»
Die Situation der Sponsoren besser verstehen
Rafaël Binggeli, Direktor der Genfer Agentur Sponsorize, schlägt in die gleiche Kerbe und erklärt, dass diese Turbulenzen hauptsächlich die Folge von zwei Faktoren seien: die wirtschaftliche Situation einiger Grosssponsoren einerseits und das zunehmende Streben nach Objektivierung der Rentabilität der Investitionen andererseits – von der auch das Sponsoring nicht ausgenommen sei: «Mehrere Akteure, die zu den historischen Sponsoren in der Schweiz zählen, befinden sich derzeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und durchlaufen Umstrukturierungen. In solchen Situationen werden die Ausgaben gekürzt, und Sponsoring-Events sind in der Regel eines der ersten Budgets, die gekürzt werden. Dies ist ein erster Faktor, der direkt mit der finanziellen Verfassung der Sponsoren zusammenhängt und auf den Kultur- oder Sportinstitutionen keinen Einfluss haben. Man könnte meinen, dass sich die Lage nach Abklingen des Sturms wieder umkehrt und die Sponsoringausgaben wieder steigen – aber das stimmt nur zum Teil.»
Ein Must: Die Rentabilität des Sponsorings objektivieren
Tatsächlich komme laut Rafaël Binggeli noch ein weiterer Faktor ins Spiel, der eher ein grundlegender Trend sei: das verstärkte Streben nach Return On Investment (ROI). Der Trend sei allgemein, jedoch noch prägnanter, wenn ein Unternehmen aus einer komplexen wirtschaftlichen Situation komme und seine Ausgaben straffen möchte. «Wir stellen fest, dass die Marketing-Sponsoring-Verantwortlichen in den Unternehmen immer höhere Anforderungen seitens der Unternehmensleitung erfüllen müssen und ihre Investitionen genau und mit Zahlen belegen müssen. Der ROI muss berechnet und dokumentiert werden und darf sich nicht mehr auf eine einfache «Logo-Sichtbarkeit» beschränken. Jedoch sind die Wirkungen des Sponsorings unabhängig vom Bereich (Sport, Kultur usw.) äusserst unterschiedlich und meist mit dem Image und der Wahrnehmung verbunden – was schwieriger zu quantifizieren ist.» Hier bestehe folglich eine echte Herausforderung, die durch Sponsoring erzeugten Gewinne zu objektivieren.
Wie sieht die Zukunft von Fundraising und Kultursponsoring aus?
Unausgeschöpftes Potenzial
Ist Sponsoring also zum Aussterben verurteilt? Das ist nicht so sicher, denn das Grundproblem ist, dass das Sponsoring in den meisten Fällen nicht in dem Masse genutzt wird, wie es möglich wäre. Erstens identifizieren Sponsoren für ihre Sponsoringmassnahme nicht immer das ihrer besonderen Situation entsprechende Ziel: «Die Zielvorgaben auf Seiten des Sponsors sind sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er ein Produkt oder eine Dienstleistung verkauft, ob er für die breite Öffentlichkeit oder für den Luxussektor», erklärt Rafaël Binggeli. Damit sind wir beim Kern des Problems angelangt: Wird derzeit der bestmögliche Nutzen aus Sponsoringaktivitäten gezogen? In diesem Punkt ist eine positive Entwicklung im Gange: «Wir sind dabei, uns vom Sponsoring im traditionellen Sinne – also, vereinfacht gesagt, einem Kauf einer Leistung mit emotionaler Komponente – zu einer echten Partnerschaft zu entwickeln: eine echte gemeinsame Wertschöpfungsarbeit, die zwischen dem Projektträger und dem Sponsor geteilt wird», beobachtet Rafaël Binggeli. «Sponsoren dürfen nicht länger als Eindringlinge in einem Umfeld erscheinen, das nicht ihr eigenes ist, sondern müssen stattdessen einen kohärenten und legitimen Platz einnehmen, um das Potenzial der Partnerschaft freizusetzen.»
Der Schlüssel: einen gemeinsamen, starken und lebendigen Inhalt kreieren
Die Schaffung einer starken und kohärenten Verbindung zwischen der Institution (Kultur oder Sport) und dem Sponsor ist zwar eine Voraussetzung, doch müssen beide Partner das Projekt mit Leben erfüllen, indem sie konkrete Marketing- und Kommunikationsmassnahmen durchführen und Daten zu quantifizierbaren Parametern sammeln. Die Sichtbarkeit des Namens des Sponsors wird dann zu einem Nutzen der Marketingkampagne und ist nicht mehr der einzige Grund für das Projekt.
Damit eine solche Partnerschaft funktioniere, braucht es laut Rafaël Binggeli «zwei Komponenten: ein Unternehmen, das den Willen hat, sich in ein klar definiertes Projekt mit bestimmten Werten miteinzubringen, und eine Institution, die bereit ist, einem Sponsor/Partner «Platz zu machen». Für die Projektverantwortlichen müsste die Überlegung also lauten: «Wie kann ich es meinen Sponsoren ermöglichen, messbare Werte zu schaffen?»». Als Beispiele nennt Binggeli die Schaffung des Events «Parallel» durch Audemars Piguet und das Montreux Jazz Festival, die Etablierung eines Leichtathletik-Events für Jugendliche durch die UBS (UBS Kids Cup), das Leichtathletik-Meeting Weltklasse Zürich und Swiss Athletics oder die Entwicklung eines Programms zur CO2-Reduktion im Rahmen des Lucerne Festivals in Zusammenarbeit mit der Zurich Insurance Group.
Zusammengefasst …
Leticia Labaronne resümiert: «Das klassische Kultursponsoring im engeren Sinne, bei dem Unternehmen lediglich ihr Logo präsentieren, verliert an Attraktivität. Stattdessen gewinnen inhaltlich fundiertere Kooperationen an Bedeutung, bei denen gemeinsam mit Unternehmen an Themen gearbeitet wird. Denn vielversprechender sind langfristige Partnerschaften, in denen Unternehmen und Kulturorganisationen gemeinsam an Themen wie Nachhaltigkeit arbeiten oder Neues kreieren.» Ein Beispiel dafür sei das Locarno Film Festival, welches das Thema Nachhaltigkeit mit dem Partner UBS vorantreibe. Solche strategischen Allianzen, die auch Investitionen in Innovationen beinhalten, würden grosses Potenzial bergen. «Sie schaffen Mehrwert über reine Werbung hinaus und sind daher zukunftsträchtig für Kultur und Wirtschaft.»
Der Stand der Dinge beim Fundraising
Und wie steht es mit dem Fundraising? Tatsächlich muss zwischen den beiden Konzepten unterschieden werden, wie unsere Expert:innen zu Beginn des Artikels erläutert haben. Rafaël Binggeli bestätigt: «Meistens ist eine Fachperson für Fundraising keine Fachperson für Sponsoring und vice versa…». «Vor rund 15 Jahren war Fundraising im Kultursektor nicht so sehr ein Thema», erinnert Leticia Labaronne. «Es gab zwar Gönnervereine und Freundeskreise, aber Fundraising wurde nur als Nebensache betrachtet.» Christine Bachmann fügt hinzu, dass man inzwischen eine deutliche Professionalisierung des Fundraisings beobachte. «Es werden gezielt Kulturfundraiser:innen ausgebildet, die Fundraising als Hauptjob ausüben. Auch haben grosse Häuser wie Museen und Theater inzwischen eigene Abteilungen für das Fundraising eingerichtet.» Christine Bachmann stellt zudem fest, dass gewisse Kompetenzen in den Stellenausschreibungen im Bereich Fundraising neu aufgetaucht seien.
Sponsoring: Der Ball liegt bei den Kulturinstitutionen
Beim Sponsoring sei die Dynamik ganz anders. Während im Bereich Fundraising ein klarer Trend zur Professionalisierung zu erkennen ist, würde die Entwicklung im Bereich Sponsoring laut Rafaël Bingelli langsamer verlaufen: «Heutzutage ist Sponsoring ein Beruf, den man vor allem in der Praxis erlernt, da die klassischen Studiengänge in Management oder Marketing/Kommunikation das Thema bestenfalls streifen. Wenn das Thema Sponsoring jedoch richtig angegangen wird, birgt es echte Chancen für kulturelle Organisationen.»
Insgesamt bleibe das Sponsoring also ein Bereich, der von den Kulturinstitutionen noch nicht ausreichend genutzt oder sogar unterschätzt wird. Laut Rafaël Binggeli zeige sich die Welt des Sports aus verschiedenen Gründen sehr offen für die Präsenz von Sponsoren (sehr emotionale Momente, starkes Engagement des physischen Publikums, extrem grosse digitale und TV-Zuschauerzahlen, …) und würde viel mehr Erfahrung mit Partnerschaften als kulturelle Organisationen mitbringen. «Der Kultursektor ist nicht unbedingt weniger relevant für eine Sponsoring-Partnerschaft, aber generell muss sich der Sektor selbst in Frage stellen, um zu lernen, wie man mit Sponsoren zusammenarbeitet. Während einige grosse Kulturinstitutionen – wie diejenigen, die ich vorab als Beispiel genannt habe – bereits geübt in diesem Bereich sind, würde der Kultursektor im Allgemeinen davon profitieren, sich die folgende Frage zu stellen: Wie viel Raum bin ich bereit, einem Sponsor zu überlassen, um neue Initiativen zu schaffen? Wie kann meine Institution meinen Sponsoren mehr bieten als ein Logo in Broschüren oder eine blosse Präsenz als Aussteller mit einem Stand?»
Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus?
Wie steht es ausserdem mit den Anforderungen an die Rentabilität, die – wie oben erwähnt – in Unternehmen sehr oft vorherrschend sind? Die beste Lösung für Kulturinstitutionen wäre sicherlich, das Problem nicht zu umgehen und Instrumente zur Messung der Leistung von Partnerschaften einzuführen. Auf diese Weise könnten die Institutionen die Unternehmen von den – durchaus konkreten – Mehrwerten überzeugen, die sie aus diesen Partnerschaften ziehen können.
Die Frage nach Drittmitteln für die Kultur wird immer drängender. Doch gerade das Kultursponsoring bietet den Unternehmen starke Werbemöglichkeiten. Wie steht es aber mit den Anforderungen an die Rentabilität, die – wie oben erwähnt – in Unternehmen sehr oft vorherrschend sind? Im Kontext der schier unendlichen Möglichkeiten, die den Unternehmen für Werbeinvestitionen zur Verfügung stehen, haben die Kulturinstitutionen keine andere Wahl, als die Initiative zu ergreifen – d.h. geeignete Tools, die den Mehrwert des Sponsorings nachweisen, umzusetzen sowie proaktiv auf die Unternehmen zuzugehen und Überzeugungsarbeit zu leisten.
Fabien Morf
© L’Oeil du Public
[1] Die empirische Studie « Sponsor Visions Schweiz 2022 – Trends und Entwicklungen im Schweizer Sponsoring-Markt der letzten zehn Jahre » wird seit 2021 vom Zentrum für Kulturmanagement – ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und dem Fachverband für Sponsoring (FASPO) durchgeführt.
Fundraising ≠ Sponsoring
Definieren wir zunächst die Begriffe.
Leticia Labaronne erklärt: «Der grösste Unterschied zwischen Fundraising (oder Mäzenatentum) und Kultursponsoring besteht darin, dass Fundraising sich auf Spenden und finanzielle Unterstützung ohne Verpflichtungen oder Gegenleistungen bezieht.» Kultursponsoring bezeichne eher einen Austausch, indem die kulturelle Einrichtung eine Gegenleistung für die erhaltene finanzielle Unterstützung anbiete, beispielsweise wird der Sponsor auf der Website oder bei Events genannt, oder auch mehr. Wohingegen Fundraising darin bestehe, (finanzielle) Zuwendungen von Einzelpersonen oder Stiftungen zu erhalten, ohne dass eine marktadequate Gegenleistung erbracht werden müsse, gebe es beim Kultursponsoring in der Regel einen Vertrag über Werbe- oder andere Leistungen, die das Kulturprojekt für den Sponsor erbringe. «Dadurch entstehen auch Kosten für die Kulturorganisation, zum Beispiel für die Umsetzung von Sponsoring-Events. Hier gibt es ein häufiges Missverständnis: Fundraising verursacht in der Regel keine Investitionskosten, während Kultursponsoring schon allein aufgrund der Gegenleistungen im Sponsoringvertrag Kosten verursacht.»
Fundraising & Werte
Christine Bachmann schliesst sich dem an: «Fundraising und Kultursponsoring sind grundsätzlich verschieden. Fundraising basiert auf dem Prinzip des Mäzenatentums, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten, während beim Sponsoring genau solche Gegenleistungen üblich sind.» Gemäss Christine Bachmann, bestehe zudem beim Fundraising eine engere Verbindung zwischen den von der Kulturorganisation vertretenen Werten und Themen auf der einen Seite und den Unterstützern sowie Fundraisingpartnern auf der anderen Seite. Kulturorganisationen würden deshalb gezielt Unterstützer sowie Fundraisingpartner suchen, deren Anliegen und Ziele zu den eigenen passen.
Das Sponsoring unter Druck
Entwicklung des Kultursponsorings
Die Studie Sponsor Visions Schweiz[1],die von der ZHAW School of Management and Law durchgeführt wurde, zeigt, dass in den letzten 10 bis 15 Jahren, das Interesse an Kultursponsoring zugenommen hat. «Kultursponsoring verzeichnet den grössten Zuwachs in den letzten zehn Jahren: Der Anteil Unternehmen, die diesen Bereich sponsern, ist von 48 auf 59 Prozent gestiegen.» Ausserdem geben die Unternehmen an, dass sie mit ihrem Sponsorship in jeder Hinsicht zufrieden sind.
Die Studie der ZHAW School of Management and Law zeigt weiters, dass das Sponsoring, das sich früher vor allem auf etablierte, «hochkulturelle» Kunstformen wie Oper, Theater oder klassische Konzerte konzentrierte, sich deutlich diversifiziert hat und sich beispielsweise auf Rock-/ Pop-/ Jazz- Festivals ausweitete: Da sich diese Veranstaltungen an ein breiteres Publikum richten, können dort mehr Sponsoren ihre Zielgruppen auf qualitativ hochwertigere Weise erreichen.
Sponsoring in turbulenter Phase?
Mehrere Studien belegen, dass die Investitionen von Unternehmen in Sponsoring in den letzten Jahren gestiegen sind. Nebst der bereits erwähnten Schweizer Studie kann man die Studie «Sponsorship Market Overview» heranziehen, die von der European Sponsoring Association in Zusammenarbeit mit dem Datenanalyse-Konzern Nielsen durchgeführt wurde – und die diesen Aufwärtstrend belegt: Nachdem die positive Dynamik durch die Pandemie unterbrochen wurde, erhole sich die Sponsoringinvestitionen in Europa seitdem wieder und werden 2023 mit 30.9 Milliarden Euro sogar das Niveau von 2019 übertreffen (vs. 30.7 im Jahr 2019 und 29.1 im Jahr 2022). Auch wenn der grösste Teil dieser Budgets in den Sport fliesst (22 Milliarden), setzt sich der Trend auch in anderen Bereichen, wie z.B. Kultur, fort (8.4 Milliarden im Jahr 2022 vs. 8.9 Milliarden im Jahr 2023).
Trotz dieser positiv stimmenden Berichte liessen sich in letzter Zeit offenbar einige negative Signale betreffend der Drittgelder-Beschaffung identifizieren, wie Philippe Bischof, Direktor von Pro Helvetia, in einem LinkedIn-Post im Juli letzten Jahres anmerkte: «(…) Leider ist es ist (…) offensichtlich eine für viele Kulturinstitutionen schmerzliche Tendenz, dass es zunehmend schwierig wird, Drittmittel bei Privaten zu finden. (…) Sollte sich diese Tendenz bestätigen, so wäre es sinnvoll und wichtig, dass die städtische, kantonale und nationale Kulturförderung gemeinsam analysiert und Abhilfe schafft. Denn wenn es sich bestätigt, dass die Drittmittelsuche nicht mehr in den bisherigen Dimensionen möglich ist, brauchen wir eine Aktualisierung unserer Erwartungen an Finanzplanung und Förderanteile.»
Die Situation der Sponsoren besser verstehen
Rafaël Binggeli, Direktor der Genfer Agentur Sponsorize, schlägt in die gleiche Kerbe und erklärt, dass diese Turbulenzen hauptsächlich die Folge von zwei Faktoren seien: die wirtschaftliche Situation einiger Grosssponsoren einerseits und das zunehmende Streben nach Objektivierung der Rentabilität der Investitionen andererseits – von der auch das Sponsoring nicht ausgenommen sei: «Mehrere Akteure, die zu den historischen Sponsoren in der Schweiz zählen, befinden sich derzeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und durchlaufen Umstrukturierungen. In solchen Situationen werden die Ausgaben gekürzt, und Sponsoring-Events sind in der Regel eines der ersten Budgets, die gekürzt werden. Dies ist ein erster Faktor, der direkt mit der finanziellen Verfassung der Sponsoren zusammenhängt und auf den Kultur- oder Sportinstitutionen keinen Einfluss haben. Man könnte meinen, dass sich die Lage nach Abklingen des Sturms wieder umkehrt und die Sponsoringausgaben wieder steigen – aber das stimmt nur zum Teil.»
Ein Must: Die Rentabilität des Sponsorings objektivieren
Tatsächlich komme noch, laut Rafaël Binggeli, ein weiterer Faktor ins Spiel, der eher ein grundlegender Trend sei: das verstärkte Streben nach Return On Investment (ROI). Der Trend sei allgemein, jedoch noch prägnanter, wenn ein Unternehmen aus einer komplexen wirtschaftlichen Situation komme und seine Ausgaben straffen möchte. «Wir stellen fest, dass die Marketing-Sponsoring-Verantwortlichen in den Unternehmen immer höhere Anforderungen seitens der Unternehmensleitung erfüllen müssen und ihre Investitionen genau und mit Zahlen belegen müssen. Der ROI muss berechnet und dokumentiert werden und darf sich nicht mehr auf eine einfache «Logo-Sichtbarkeit» beschränken. Jedoch sind die Wirkungen des Sponsorings unabhängig vom Bereich (Sport, Kultur usw.) äusserst unterschiedlich und meist mit dem Image und der Wahrnehmung verbunden – was schwieriger zu quantifizieren ist.» Hier bestehe folglich eine echte Herausforderung, die durch Sponsoring erzeugten Gewinne zu objektivieren.
Wie sieht die Zukunft von Fundraising und Kultursponsoring aus?
Unausgeschöpftes Potenzial
Ist Sponsoring also zum Aussterben verurteilt? Das ist nicht so sicher, denn das Grundproblem ist, dass das Sponsoring in den meisten Fällen nicht in dem Masse genutzt wird, wie es möglich wäre. Erstens identifizieren Sponsoren für ihre Sponsoringmassnahme nicht immer das ihrer besonderen Situation entsprechende Ziel: «Die Zielvorgaben auf Seiten des Sponsors sind sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er ein Produkt oder eine Dienstleistung verkauft, ob er für die breite Öffentlichkeit oder für den Luxussektor», erklärt Rafaël Binggeli. Damit sind wir beim Kern des Problems angelangt: Wird derzeit der bestmögliche Nutzen aus Sponsoringaktivitäten gezogen? In diesem Punkt ist eine positive Entwicklung im Gange: «Wir sind dabei, uns vom Sponsoring im traditionellen Sinne – also, vereinfacht gesagt, einem Kauf einer Leistung mit emotionaler Komponente – zu einer echten Partnerschaft zu entwickeln: eine echte gemeinsame Wertschöpfungsarbeit, die zwischen dem Projektträger und dem Sponsor geteilt wird», beobachtet Rafaël Binggeli. «Sponsoren dürfen nicht länger als Eindringlinge in einem Umfeld erscheinen, das nicht ihr eigenes ist, sondern müssen stattdessen einen kohärenten und legitimen Platz einnehmen, um das Potenzial der Partnerschaft freizusetzen.»
Der Schlüssel: einen gemeinsamen, starken und lebendigen Inhalt kreieren
Die Schaffung einer starken und kohärenten Verbindung zwischen der Institution (Kultur oder Sport) und dem Sponsor ist zwar eine Voraussetzung, doch müssen beide Partner das Projekt mit Leben erfüllen, indem sie konkrete Marketing- und Kommunikationsmassnahmen durchführen und Daten zu quantifizierbaren Parametern sammeln. Die Sichtbarkeit des Namens des Sponsors wird dann zu einem Nutzen der Marketingkampagne und ist nicht mehr der einzige Grund für das Projekt.
Damit eine solche Partnerschaft funktioniere, braucht es laut Rafaël Binggeli «zwei Komponenten: ein Unternehmen, das den Willen hat, sich in ein klar definiertes Projekt mit bestimmten Werten miteinzubringen, und eine Institution, die bereit ist, einem Sponsor/Partner «Platz zu machen». Für die Projektverantwortlichen müsste die Überlegung also lauten: «Wie kann ich es meinen Sponsoren ermöglichen, messbare Werte zu schaffen?»». Als Beispiele nennt Binggeli die Schaffung des Events «Parallel» durch Audemars Piguet und das Montreux Jazz Festival, die Etablierung eines Leichtathletik-Events für Jugendliche durch die UBS (UBS Kids Cup), das Leichtathletik-Meeting Weltklasse Zürich und Swiss Athletics oder die Erstellung eines Programms zur CO2-Reduktion im Rahmen des Lucerne Festivals in Zusammenarbeit mit der Zurich Insurance Group.
Zusammengefasst …
Leticia Labaronne resümiert: «Das klassische Kultursponsoring im engeren Sinne, bei dem Unternehmen lediglich ihr Logo präsentieren, verliert an Attraktivität. Stattdessen gewinnen inhaltlich fundiertere Kooperationen an Bedeutung, bei denen gemeinsam mit Unternehmen an Themen gearbeitet wird. Denn vielversprechender sind langfristige Partnerschaften, in denen Unternehmen und Kulturorganisationen gemeinsam an Themen wie Nachhaltigkeit arbeiten oder Neues kreieren.» Ein Beispiel dafür sei das Locarno Film Festival, welches das Thema Nachhaltigkeit mit dem Partner UBS vorantreibe. Solche strategischen Allianzen, die auch Investitionen in Innovationen beinhalten, würden grosses Potenzial bergen. «Sie schaffen Mehrwert über reine Werbung hinaus und sind daher zukunftsträchtig für Kultur und Wirtschaft.»
Der Stand der Dinge beim Fundraising
Und wie steht es mit dem Fundraising? Tatsächlich muss zwischen den beiden Konzepten unterschieden werden, wie unsere Expert:innen zu Beginn des Artikels erläutert haben. Rafaël Binggeli bestätigt: «Meistens ist eine Fachperson für Fundraising keine Fachperson für Sponsoring und vice versa…». «Vor rund 15 Jahren war Fundraising im Kultursektor nicht so sehr ein Thema», erinnert Leticia Labaronne. «Es gab zwar Gönnervereine und Freundeskreise, aber Fundraising wurde nur als Nebensache betrachtet.» Christine Bachmann fügt hinzu, dass man inzwischen eine deutliche Professionalisierung des Fundraisings beobachte. «Es werden gezielt Kulturfundraiser:innen ausgebildet, die Fundraising als Hauptjob ausüben. Auch haben grosse Häuser wie Museen und Theater inzwischen eigene Abteilungen für das Fundraising eingerichtet.» Christine Bachmann stellt zudem fest, dass gewisse Kompetenzen in den Stellenausschreibungen im Bereich Fundraising neu aufgetaucht seien.
Sponsoring: Der Ball liegt bei den Kulturinstitutionen
Beim Sponsoring sei die Dynamik ganz anders. Während im Bereich Fundraising ein klarer Trend zur Professionalisierung zu erkennen ist, würde die Entwicklung im Bereich Sponsoring laut Rafaël Bingelli langsamer verlaufen: «Heutzutage ist Sponsoring ein Beruf, den man vor allem in der Praxis erlernt, da die klassischen Studiengänge in Management oder Marketing/Kommunikation das Thema bestenfalls streifen. Wenn das Thema Sponsoring jedoch richtig angegangen wird, birgt es echte Chancen für kulturelle Organisationen.»
Insgesamt bleibe das Sponsoring also ein Bereich, der von den Kulturinstitutionen noch nicht ausreichend genutzt oder sogar unterschätzt wird. Laut Rafaël Binggeli zeige sich die Welt des Sports aus verschiedenen Gründen sehr offen für die Präsenz von Sponsoren (sehr emotionale Momente, starkes Engagement des physischen Publikums, extrem grosse digitale und TV-Zuschauerzahlen, …) und würde viel mehr Erfahrung mit Partnerschaften als kulturelle Organisationen mitbringen. «Der Kultursektor ist nicht unbedingt weniger relevant für eine Sponsoring-Partnerschaft, aber generell muss sich der Sektor selbst in Frage stellen, um zu lernen, wie man mit Sponsoren zusammenarbeitet. Während einige grosse Kulturinstitutionen – wie diejenigen, die ich vorab als Beispiel genannt habe – bereits geübt in diesem Bereich sind, würde der Kultursektor im Allgemeinen davon profitieren, sich die folgende Frage zu stellen: Wie viel Raum bin ich bereit, einem Sponsor zu überlassen, um neue Initiativen zu schaffen? Wie kann meine Institution meinen Sponsoren mehr bieten als ein Logo in Broschüren oder eine blosse Präsenz als Aussteller mit einem Stand?»
Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus?
Wie steht es ausserdem mit den Anforderungen an die Rentabilität, die, wie oben erwähnt, in Unternehmen sehr oft vorherrschend sind? Die beste Lösung für Kulturinstitutionen wäre sicherlich, das Problem nicht zu umgehen und Instrumente zur Messung der Leistung von Partnerschaften einzuführen. Auf diese Weise könnten die Institutionen die Unternehmen von den – durchaus konkreten – Mehrwerten überzeugen, die sie aus diesen Partnerschaften ziehen können.
Die Frage nach Drittmitteln für die Kultur wird immer drängender. Doch gerade das Kultursponsoring bietet den Unternehmen starke Werbemöglichkeiten. Wie steht es aber mit den Anforderungen an die Rentabilität, die – wie oben erwähnt – in Unternehmen sehr oft vorherrschend sind? Im Kontext der schier unendlichen Möglichkeiten, die den Unternehmen für Werbeinvestitionen zur Verfügung stehen, haben die Kulturinstitutionen keine andere Wahl, als die Initiative zu ergreifen – d.h. geeignete Tools, die den Mehrwert des Sponsorings nachweisen, umzusetzen sowie proaktiv auf die Unternehmen zuzugehen und Überzeugungsarbeit zu leisten.
Fabien Morf
© L’Oeil du Public
[1] Die empirische Studie « Sponsor Visions Schweiz 2022 – Trends und Entwicklungen im Schweizer Sponsoring-Markt der letzten zehn Jahre » wird seit 2021 vom Zentrum für Kulturmanagement – ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und dem Fachverband für Sponsoring (FASPO) durchgeführt.