In vielen Städten der Schweiz und Europas gehören Museumsnächte fest zum Jahresprogramm. Manche freuen sich das ganze Jahr darauf, andere entdecken sie zum ersten Mal. Museumsnächte sollen das museale Erbe einer Stadt oder Region einem breiten Publikum bekannt machen und dienen dem Nicht-Publikum als Türöffner zum Museumsbesuch. Doch erfüllen sie diese Aufgabe wirklich? Wie sieht ihr Publikum aus und woher kommt es? Wie hoch ist der Anteil der Erstbesucher:innen? Wie viele Museen werden in diesen Nächten tatsächlich besucht? Wie stark ist die Anziehungskraft dieser Veranstaltungen und wie wirken sie sich auf eine Stadt aus?
Dies sind Fragen, die von entscheidender Bedeutung für die Durchführung einer solchen Veranstaltung sind. Um hierfür über solide Daten zu verfügen, hat der Museumsverband der Wattländer Riviera (Association des Musées de la Riviera vaudoise) L’Oeil du Public (Schweiz) mit einer Studie beauftragt. So führten wir während der letzten Ausgabe der Museumsnacht – im Mai 2023 – eine Feldstudie durch, in deren Rahmen über 300 persönliche Interviews geführt wurden.
Eine Aufgabe, die komplexer ist, als es scheint
Die Erforschung des Publikums einer solchen Veranstaltung verlangt, dass dabei bestimmte Parameter berücksichtigt werden, die für diese Art von Anlass typisch sind und eine gewisse Komplexität mit sich bringen. Zunächst einmal muss die Antwortbereitschaft des Publikums und die Zeit, die es dafür aufwenden mag, berücksichtigt werden. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf den Fragebogen, der aufs Wesentliche beschränkt und so einfach und kurz wie möglich formuliert sein sollte, sondern auch auf die Instruktion der Personen, die die Interviews durchführen.
Ebenfalls wichtig ist die Verteilung der Interviewstellen. Wo sollen bei einer Veranstaltung mit mehreren Standorten, die bis zu 15 km voneinander entfernt sind, die Interviews stattfinden? An den am meisten frequentierten Stellen, oder doch eher nicht? Zu beachten ist ferner, dass Daten für alle Veranstaltungsorte gesammelt werden können, ohne dafür zu grosse Personalressourcen einsetzen zu müssen. Wie erfasst man Personen, die in Gruppen kommen? Die Person, die die Umfrage beantwortet, und die Personen, die sie begleiten, sollten alle berücksichtigt werden, ohne dass jedes Mitglied der Gruppe interviewt werden muss – was viel zu zeitaufwendig wäre.
Die von uns entwickelte Herangehensweise wurde vom Publikum sehr positiv aufgenommen. Es zeigte sich einmal mehr, dass das Publikum gerne seine Meinung äussert.
Die Ergebnisse erlauben es, das Publikum der Museumsnacht der Riviera besser zu verstehen.
Die Profilanalysen der Befragten und ihrer Begleitpersonen ermöglichten es, für jede Museumsinstitution, die an der Veranstaltung teilnahm, ein Publikumsprofil nach Alter, Bildungsniveau und Wohnort zu erstellen. Auf diese Daraus konnte die Studie sehr konkrete Schlüsse zur Reichweite der Veranstaltung ziehen. Sie bestätigten die überregionale Anziehungskraft der Museumsnacht an der Riviera. Mehr als die Hälfte des Publikums wohnt mehr als 20 Fahrminuten vom Zentrum der Veranstaltung entfernt.
Weiter wurde das Publikumsverhalten während des Abends analysiert: Kommt das Publikum eher allein oder in Gruppen zur Museumsnacht? Wird ein einziges, bereits bekanntes Museum besucht, oder wird die Gelegenheit zu Mehrfachbesuchen genutzt? Die detaillierte Analyse der Publikumszahlen und ihren Überschneidungen ermöglichte es, den Weg des Publikums und seine Museumsaffinität besser zu verstehen.
Der Erstbesuch als Mittelpunkt der Fragestellung
Der Museumverband wollte wissen, inwiefern die Veranstaltung Erstbesuche generiert. Obwohl einige der führenden Museen der Region bereits eine grosse Breitenwirkung in ihrem Einzugsgebiet haben, scheint es, dass die Museumsnacht an der Riviera tatsächlich ein geeignetes Mittel zur Generierung von neuem Publikum ist.
Weiter ging es darum, tieferliegende Beweggründe des Publikums zu erforschen. Ist der kostenlose Eintritt der Hauptauslöser für einen Besuch? Gibt es anderen Motivationsfaktoren? Interessanterweise variieren die Antworten auf diese Fragen je nach den besuchten Orten und den unterschiedlichen Publikumsgruppen.
Die Studie befasste sich auch mit der Mobilität. Die gesammelten Informationen ermöglichten es uns, die Fortbewegungsmittel während der Museumsnacht zu identifizieren und zu verstehen. So liess sich zum Beispiel feststellen, dass die Einrichtung eines Shuttle-Busses mit «Oldtimer»-Bussen sehr positiv aufgenommen wurde.
Ein weiteres wichtiges Ziel der Studie war es, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Stadt zu verstehen. Es konnte festgestellt werden, dass die Veranstaltung nicht nur die Verbindung zwischen Museen und Öffentlichkeit belebt und stärkt, sondern dass auch die lokale Gastronomie stark davon profitiert.
Der Mehrwert für den Verband
Der Verband und seine Mitglieder profitierten von der Studie gleich in zweierlei Hinsicht: Als erstes bestätigte sie Vermutungen und Eindrücke, die man bereits auf empirischem Weg gewonnen hatten. «Es ist für mich sehr wichtig, eine Bestätigung für bereits vorhandene Vermutungen und Bauchgefühle zu haben. Schliesslich kann man weder Strategie entwickeln noch Massnahmen beschliessen, wenn man keinen Einblick in die aktuelle Situation hat.» so Marta dos Santos, Präsidentin der Museumsverband der Wattländer Riviera (und Direktorin vom Schloss Chillon).
Foto: Marta dos Santos, Direktorin vom Schloss Chillon und Präsidentin der Museumsverband der Wattländer Riviera. © Céline Michel, 2022.
Zum zweiten liefere die Studie auch neue Erkenntnisse und werfe ein Schlaglicht auf einige Aspekte der Veranstaltung, die bisher unterschätzt worden seien. «Wir wissen nun genauer, was die eigenen Stärken sind. Einige Entscheide – wie die, einen Oldtimer-Bus-Service einzurichten – werden durch die Zahlen gestützt. Wir sehen auch besser, in welche Richtungen wir die Veranstaltung weiterentwickeln können». Genaue Daten über die wirtschaftlichen Auswirkungen zu haben, ist für sie ebenfalls von grosser Bedeutung. Jetzt könne man mit Zahlen belegen, wie wichtig die Veranstaltung für die Region ist. «Wir können so auch die Zusammenarbeit zwischen kulturellen Partnern der Riviera fortsetzen und verstärken».
Bei dieser Gelegenheit möchten wir Jennifer Genovese, Generalsekretärin der Museumsverband der Wattländer Riviera, und Marta dos Santos, Direktorin von Schloss Chillon und Präsidentin der Museumsverband der Wattländer Riviera, herzlich für ihre Zusammenarbeit während des gesamten Projekts und ihr Vertrauen danken.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an contact@loeildupublic.ch.