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Mit der IPOP-Segmentierung die Beweggründe für den Besuch des NHMF besser verstehen

Vor einigen Monaten wandte sich das Naturhistorische Museum Freiburg (NHMF) an L’Oeil du Public (Suisse) mit dem Ziel, ein genaueres Verständnis der Gründe für Museumsbesuche (und Nicht-Besuche) und im weiteren Sinne seines Publikums (und Nicht-Publikums) zu erlangen. Und um diese grundlegende Frage zu erörtern, hat sich das NHMF für eine Segmentierungsmethode entschieden, die in Europa noch wenig gebräuchlich, aber doch sehr aufschlussreich ist: die IPOP-Segmentierung für die Museen. «IPOP»? Wir erklären es Ihnen.

Wie alles anfing: die Museen der Smithsonian Institution in Washington DC

Die IPOP-Segmentierung wurde von Andrew Pekarik, ehemaliger Audience Research Analyst der Smithsonian Institution, Jim Schreiber (Duquesne University) und ihrem Team entwickelt – und dies auf der Grundlage von 24 Jahren Forschung an der Smithsonian Institution (Washington DC), dem grössten Museums- und Forschungszentrum der Welt.

Die IPOP-Theorie entstand aus den zahlreichen Besuchendenbeobachtungen und qualitativen Interviews mit Museumsbesucher:innen, die Andrew Pekarik und sein Team über viele Jahre hinweg durchführten. Anschliessend wurde ein statistisches Modell von Jim Schreiber konstruiert, der damit die wissenschaftliche Gültigkeit von IPOP demonstriert und den gesamten Forschungsprozess dokumentiert hat, wodurch die Replizierbarkeit des Modells ermöglicht wurde. Bis heute konnte die Segmentierung bei 23.000 Museumsbesucher:innen, 1.500 Museumsmitarbeitenden und mehr als 15 Museen in den USA und Kanada angewendet werden. Und jetzt auch im Naturhistorischen Museum in Freiburg.

 

Das NHMF zieht um und überdenkt seine Wertschöpfung

Das NHMF steht vor dem Umzug im Jahr 2028 an einen neuen Ort – ein wunderschönes historisches Gebäude, das vollständig renoviert wird und Räume bieten wird, die der Verbundenheit der Bevölkerung des Kantons Fribourg mit dieser Institution gerecht werden.

Dieser Umzug ist für Peter Wandeler, den Direktor des NHMF, und sein Team eine Gelegenheit, die Museografie der neuen Dauerausstellung des NHMF grundsätzlich zu überdenken: wie kann man noch mehr in Resonanz mit den unterschiedlichen Publikumsgruppen treten? Wie kann man den Besuch im NHMF zu einem unvergesslichen Erlebnis machen? Die zugrunde liegende Idee ist es, über die Wertschöpfung nachzudenken: Ein Museum – oder jede andere kulturelle Einrichtung – kann versuchen, neue Besucher:innen anzuziehen (extensives Wachstum) oder die Besuchsfrequenz der bestehenden Besucher:innen zu erhöhen (intensives Wachstum). Man kann aber auch versuchen, den Wert zu steigern, den die aktuellen Besucher:innen aus ihren Besuchen ziehen. Ein Wachstum in der Tiefe, in gewisser Weise. Einige sprechen in diesem Zusammenhang davon, den «Brainprint» des Kulturortes zu erhöhen.

Das ist es, was das NHMF anstrebt: Wie kann man die Wirkung, die die Ausstellungsstücke, die behandelten Themen auf die Besucher:innen haben, erhöhen? Hier kann das IPOP-Modell hilfreich sein.

 

IPOP, oder Ideas, People, Objects, Physical

Tatsächlich bietet das Modell den Museen neue Möglichkeiten, ihre Besucher:innen zu verstehen und mit ihnen zu interagieren. Andrew Pekarik und sein Team erkannten im Laufe ihrer qualitativen Interviews, dass es möglich ist, die Art und Weise, wie Besucher:innen ein Museum erleben, zu identifizieren und zu differenzieren. Sie konnten vier Hauptmuster erkennen, die sie als Präferenzen bezeichneten (« experience preferences ») : Ideas, People, Objects und Physical.

Besucher:innen mit der Präferenz Ideas werden nach kognitiver Stimulation und einem tieferen Verständnis der behandelten Themen suchen. Sie sind zum Beispiel von Konzepten, Sachinformationen, Statistiken, Zeitleisten und historischen Kontexten fasziniert. Für sie sind Museen Lernorte, deren Ausstellungen einen reichen intellektuellen Inhalt bieten müssen.

Besucher:innen mit der Präferenz People werden eher nach der menschlichen Dimension suchen, die mit dem ausgestellten Werk / der Museumserfahrung verbunden ist oder damit in Verbindung gebracht werden kann. Sie werden von Emotionen, Geschichten, Biografien, Anekdoten und Live-Performances oder -Demonstrationen sowie zwischenmenschlichem Austausch angezogen. Sie werden Ausstellungen schätzen, die persönliche und menschliche Aspekte durch fesselnde Erzählungen und immersive Erlebnisse hervorheben.

Personen mit der Präferenz Objects bevorzugen Ästhetik, die Beobachtung von Objekten und ihrer Funktionsweise, ihre Herstellung, ihren Zusammenbau und ihren Vergleich untereinander. Sie fühlen sich von der visuellen Schönheit, der Herstellungstechnik und den Geschichten hinter den Objekten angezogen. Für diese Besucher:innen sind Museen eine Schatzkammer der Kuriositäten, in der jedes Stück eine einzigartige Geschichte zu erzählen hat.

Diejenigen mit der Präferenz Physical (oder Physik oder «Körperlichkeit») schliesslich werden sich eher zur somatischen Wahrnehmung hingezogen fühlen: Bewegungen, Handlungen, Geräusche, Gerüche, Licht, Interaktivität. Diese Besucher:innen schätzen Ausstellungen, die eine direkte Interaktion ermöglichen und die Sinne auf vielfältige und einnehmende Weise stimulieren.

 

IPOP im NHMF : Mit den Besucher:innen vermehrt in Dialog treten

L’Oeil du Public führte daher in engem Austausch mit Andrew Pekarik und Jim Schreiber eine gründliche Untersuchung des Publikums und des Nicht-Publikums des NHMF durch, indem die IPOP-Segmentierung verwendet wurde. Das angestrebte Ziel war es, zu verstehen, wie die einzelnen Besuchertypen (I, P, O, P) mit den verschiedenen Bereichen des Museums interagieren, und zu ermitteln, welche Aspekte verbessert werden müssen, um mehr Resonanz bei den einzelnen Besuchertypen zu erzeugen – und somit aus dem Museumsangebot einen noch grösseren Mehrwert für die einzelnen Besucherkategorien zu schaffen.

Die Studie ergab, dass bestimmte Räume im bestehenden Museum bei einigen IPOP-Typen deutlich beliebter sind als bei anderen. Mit anderen Worten: Es wurde festgestellt, dass gewisse Räume für bestimmte Publikumsgruppen weniger attraktiv sind und erörtert, in welche Richtung man weiterarbeiten sollte, um das Interesse dieser Publikumsgruppen zu wecken.

 

Die IPOP-Methode zeigt, dass das Verständnis individueller Präferenzen den Museumsansatz verändern kann. Sie bietet eine neue Perspektive auf die Gestaltung von Ausstellungen und verdeutlicht, wie wichtig die Erlebnisvielfalt ist, um ein ebenfalls vielfältiges Publikum anzuziehen und zu begeistern.

© L’Oeil du Public
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