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Eintrittspreise: eine (zunehmend) strategische Herausforderung für Kultureinrichtungen

Immer häufiger wird L’Oeil du Public beauftragt, Problemstellungen im Zusammenhang mit der Preisgestaltung im Kulturbereich zu erörtern. Die Frage der Eintrittspreise stellt sich in der Tat – und insbesondere seit der Coronakrise – als eine wesentliche Herausforderung für kulturelle Einrichtungen heraus. Dieser Druck hat sich durch die Kürzungen der öffentlichen Mittel für Kultur in mehreren Bundesländern noch verstärkt. In Anbetracht dieser Zwänge sind die Institutionen aufgerufen, ihre eigenen Ressourcen zu optimieren und gleichzeitig ihre Verpflichtung zur Erschwinglichkeit ihres Angebots aufrechtzuerhalten. Sie müssen ihre Preispolitik überdenken, und dabei auch die Effizienz der praktizierten ermässigten Tarife neu bewerten. Diese Arbeit verlangt nach einem wissenschaftlichen Ansatz. Intuition oder das Rückgreifen auf frühere Erfahrungen reichen nicht mehr aus.

Im November 2024 wurde L’Oeil du Public eingeladen, im Rahmen der Audience Success Conference in München zu sprechen, einem Zusammentreffen führender Kulturinstitutionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Thema unseres Vortrags: Die Festlegung des Eintrittspreises für kulturelle Einrichtungen aus der Perspektive der Besucher:innen. Die vielen Publikumsfragen im Anschluss an unsere Präsentation zeigten deutlich: Der Eintrittspreis ist für Kultureinrichtungen ein Kernanliegen. Auf der einen Seite stehen die – in einigen deutschen Bundesländern teilweise drastischen – Kürzungen der öffentlichen Kulturbudgets, die den Druck auf die Kultureinrichtungen erhöhen und sie dazu zwingen, Kosten zu senken und die Einnahmen zu maximieren. Auf der anderen Seite streben viele Einrichtungen danach, ein breiteres Publikum durch niedrige Eintrittspreise anzuziehen. Diese Politik «der tiefen Preise» ist manchmal sogar eine mehr oder weniger klar formulierte Erwartung der Trägerorganisationen an die von ihnen subventionierten Einrichtungen.
In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie die Öffentlichkeit die Preisgestaltung wahrnimmt. Forschungsarbeiten liefern hierzu Erkenntnisse, die oftmals im Gegensatz zu den gängigen Vorstellungen stehen.

Auf der Grundlage von Daten die optimale Balance zwischen Besuchszahlen und Einnahmen finden

Wenn eine Einrichtung ihre Preisstrategie überdenkt, ist es notwendig, zunächst die für die Einrichtung spezifische Preiselastizität der Nachfrage zu verstehen. Die Preiselastizität der Nachfrage spiegelt die Reaktion einer Gruppe von Individuen auf eine Änderung des Eintrittspreises wider. In der Regel führt ein höherer Preis zu weniger Besucher:innen, aber zu höheren Einnahmen pro Besucher:in. Welches Preisniveau führt zu höheren Gesamteinnahmen? Welches Preisniveau führt zu mehr Besucher:innen, ohne dass sich dies negativ auf die Gesamteinnahmen auswirkt? Wie hoch sind die Kosten einer Strategie, die darauf abzielt, «um jeden Preis» ein grösseres Publikum zu erreichen? Und überhaupt: Inwiefern kann man mit niedrigen Preisen ein breiteres Publikum erreichen? Die Forschung ermöglicht es, auf diese Fragen konkrete und institutionsspezifische Antworten zu geben. Letztendlich wird eine gut durchdachte Preisstudie, die die Preiselastizität berücksichtigt, Aufschluss über die Preisstrategie, die Besuchszahlen und die Einnahmenprognosen geben.

Wie Daten kognitive Verzerrungen korrigieren

Die in Preisstudien verwendeten ökonometrischen Modelle korrigieren einige der kognitiven Verzerrungen, die Entscheidungen über Eintrittspreise gewöhnlich überlagern. Während Kulturschaffende niedrige Eintrittspreise oft als Wundermittel betrachten, um ein breiteres Publikum anzuziehen, empfehlen viele Forschungsergebnisse, bei diesem Thema mehr Sorgfalt walten zu lassen. Kostenlose Besuche gehen mit einem teilweise hohen Mitnahmeeffekt einher – ein Teil der Besucher:innen wäre ohnehin gekommen und ersetzt lediglich einen kostenpflichtigen Besuch durch einen kostenlosen [1] –, und ihre Wirkung auf die Ansprache sozioökonomisch benachteiligter Zielgruppen ist schwer nachweisbar [2]. Niedrige Preise können von Besucher:innen als Zeichen geringerer Wertschätzung des kulturellen Angebots wahrgenommen werden und sich daher negativ auf die Besuchsabsichten und damit auf die Besuchszahlen auswirken.

Die in diesen Studien verwendeten Instrumente berücksichtigen daher sowohl die Erschwinglichkeit des Preises an sich («inwieweit ist dieser Preis für mich erschwinglich») als auch die Wahrnehmung des Wertes des kulturellen Angebots . Durch gezielte Fragen an das Publikum können kritische Schwellenwerte ermittelt werden: Ab welchem Preis ist das Kulturangebot nicht mehr attraktiv bzw. erscheint es zu teuer, um in Erwägung gezogen zu werden? Anhand dieser Daten lässt sich eine ideale Preisspanne definieren, in der Zufriedenheit und Attraktivität maximiert sind.

 

In einem Kontext, in dem die Budgetbeschränkungen und die Erwartungen des Publikums immer vielschichtiger werden, ist ein wissenschaftlicher Ansatz rund um die Preisgestaltung im Kulturbereich nicht nur sinnvoll, sondern unerlässlich. Dadurch lassen sich Zugänglichkeit, Aufwertung des kulturellen Angebots und wirtschaftliche Tragfähigkeit miteinander verbinden.

 

Fabien Morf
© L’Oeil du Public

 

[1] Benhamou F., Prix, tarifs et soutien à la demande : où va la politique culturelle ?, Regards croisés sur l’économie 2022/1-2 (n° 30-31), S. 115-122. https://shs.cairn.info/revue-regards-croises-sur-l-economie-2022-1-page-115?lang=fr&tab=bibliographie
[2] Wegner N., Schößler T., Evaluation des freien Eintritts in Dauerausstellungen für die baden-württembergischen Landesmuseen und das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Forschung im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Juni 2019, https://mwk.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mwk/intern/dateien/Anlagen_PM/2019/Evaluationsbericht-freier-Eintritt-Landesmuseen_MWK-BW-2019.pdf

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